Freitag, 30. April 2010

Mission: 2:45 Hamburg Marathon

der Moritz Hartmann'sche Marathoni-Schritt!
Hallo an alle,

letztes Wochenende fand der Marathon in Hamburg statt. Mein Kumpel Moritz aus Bamberg war auch mit von der Partie. Nach einem halben Jahr akribischer Vorbereitung, er ist ja normalerweise Triathlet, nahm er sich vor, die 2:45 Stunden zu knacken. Ein ehrgeiziges, aber für ihn auch realistisches Ziel. Also ihr seht, wir denken nicht immer nur an "Triathlon", nämlich manchmal auch ans "Laufen" ;)

Im Folgenden beschreibt er einmal, wie es ihm dabei vor und während des Marathons ergangen ist:

Es ist Samstag, 5.15 Uhr. Heute geht es endlich los nach Hamburg. 16 Wochen Training liegen jetzt hinter mir. Keinem muss ich sagen, dass dieser Winter lang, eisig und mit viel Schnee gesegnet war.
Um das Auto zu holen absolviere ich die zweitletzte Einheit und laufe 2 Km zum Parkplatz. Kurz danach kann es losgehen. Tom und Lukas, meine Begleiter sind schon im Auto bester Laune und so vergehen die ersten Stunden auf der Autobahn wie im Flug.

Die Startunterlagen gab es dieses Jahr im Hafen in Hamburg- im Schuppen 52. Bei der Suche half uns freundlicherweise eine Beamtin des Zolls. Auf ihr wohlwollendes: „Moin, Moin“- konterte ich mit einem bayrischem: „Grüß Gott“. Anscheinend animierte meine Begrüßung die Zollbeamtin uns ohne weiteren Wortwechsel gleich zum Schuppen 52 zu schicken- die Frauen des Nordens sind wohl nicht die gesprächigsten. (an alle Frauen des Nordens: er meint es nicht generell so! Anm.d.Red.)

Da ich kein Fan von stundenlangen Wanderungen auf Sportlermessen bin, hielten wir uns ca. nur 10 Minuten Im Schuppen 52 auf und machten uns dann auf den Weg nach Bremen. In Bremen übernachteten wir bei einer Freundin aus Nürnberger Zeiten. Während Tom noch seinen 2.30 Lauf an der Weser absolvierte, chillten wir den Nachmittag noch an einem See der sich aus der Weser speist. Am Abend schmissen wir den Grill an und machten uns über das Hünchenfleisch her, wobei ich irgendwie bei Nutellabroten stehen blieb und kaum Hünchen zu mir nahm.

Nach einem weiteren Nutellabrötchen machten wir uns auf nach Hamburg. Natürlich verfuhren wir uns bei der Anfahrt in das Hamburger Zentrum und verdächtigten die Hamburger, dass sie den Elbtunnel wohl in der Nacht 20 km weiter in den Norden verlegt haben mussten. Ja- jetzt war ich aufgeregt!

Um 8:45 Uhr betrat ich dann meine Startbox B. Ok, dass war wirklich weit vorne. Vor mir waren max. noch 400 Leute von 18.500. Ob meine angegebene Zielzeit von 2:50 nicht ein wenig optimistisch war. Sind hier nicht noch viel schnellere Leute unterwegs? Egal, was mut dat mut! (Hey Moritz, hast du mir nicht erzählt dass du 2:45 angegeben hattest! Anm.d.Red.) Nach Ansprachen von dem Tiger Darius Michaelshwesky-oder so ähnliche- (ich bezweifle dass er so geschrieben wird, wenn du den Boxer meinst ;) und weitere Persönlichkeiten Hamburgs, folgte zum Abschluss die deutsche Nationalhymne. Ein wenig dramatisch das Ganze- doch wenn es eben sein muss.

Um 9.00 Uhr erfolgte dann endlich der ersehnte Startschuss. Wer jetzt dachte, dass hier ist ein Marathon und hier gäbe es nicht die berühmten "500 Meter Sprinter", den muss ich an dieser Stelle warnen- es gibt sie und sie lauern überall. Ich schätzte, dass ich nach 2 Minuten ungefähr auf den 600 Platz zurückgereicht wurde, da ich den ersten Kilometer in 4:07 gelaufen bin und nicht versucht habe einen Vorsprung auf meine Konkurrenten herauszuholen.

Dann war natürlich erst Mal überholen angesagt. Nach ca. 3 km traf ich einen Engländer. Wir verständigten uns über unsere Zielzeit von 2St.45 Min und beschlossen so lange es geht; den anderen zu begleiten.

Bei km 5 waren wir bei 19 Min. und 15 Sek. Eigentlich war dies uns beiden zu schnell- doch jeder weiß wovon ich spreche- wenn es ein Mal rollt- dann lass es rollen. Wir konnten relativ schnell auf eine 20 Mann/Frau starke Gruppe aufschließen. Hier befanden sich auch einige Topfrauen drin. So ging es nach vergleichsweise ruhigen 10 km zum ersten Mal runter an den Fischmark. Hinab in eine Masse von Menschen- Solarer Berg auf 1,5 km. Ein Spalier von Zuschauern, du hörst Glocken, Rasseln, das Klatschen der Menschen- es ist wie ein RAUSCH!! Bei der 10 km Marke gingen wir mit 38.00 Minuten durch- und wieder war ich zu schnell.

Ich vermisste mittlerweile Tom und Lukas. Bei km 13 bis 15 km hörte ich zum ersten Mal die wohlvertrauten Stimmen. Doch irgendwas schien etwas nicht zu stimmen, denn ich hörte Tom laut fluchen. Dies sollte sich im Laufe des Tages noch klären.

Kurz nach km 15 und 57 Min und 30 Sek. auf der Uhr liefen wir durch einen Tunnel. (war das der berühmte Elbtunnel?) Wir waren immer noch so um die 15 Mann/Frau stark und ich hielt mich mittlerweile in der vordersten Reihe auf. Einige Spaßtüten waren der Meinung man könnte die Akkustik des Tunnels nutzen um zu singen. Ich konnte mich leider auf diese Sperenzien nicht einlassen. Faszinierend war der Widerhall der Schritte an den Wänden des Tunnels. Trap, Trap,Trap- wie ein Rhythmus, ein Herzschlag- einfach mitreißend.

Leider fingen jetzt auch meine Beine an, sich bemerkbar zu machen. Während der Engländer noch leichtfüßig dahin glitt, spürte ich, dass die Lockerheit mir so langsam abhanden ging. An der nächsten Verpflegungsstation nutzte ich die Gelegenheit mich zu erfrischen und ein Stück Banane zu essen. Diese Meter, die ich jetzt verlor, konnte ich nicht mehr schließen. Es fing langsam an, einsam um mich zu werden. Tom und Lukas hatte ich aufgegeben- ich spürte, dass etwas schief gegangen war- andere Läufer hielten sich bevorzugt in meinem Windschatten auf. Schließlich forderte ich sie auf, sich an der Tempoarbeit zu beteiligen. Bei km 21 sind wir dann in 1 St. 20 Min. und 40 Sek. durch. Während ich die Anfangskilometer noch federnd zurücklegte- wurde mein Schritt jetzt hart und mein Fuß trat unbarmherzig auf den Asphalt ein.

Vor mir tauchte dann eine Kenianerin auf. Ich lief auf sie auf, um sie anzuspornen, an mir dran zu bleiben. Diese Chance lies sie sich für 3 km auch nicht entgehen. Irgendwie machte mich das Stolz. Ich und im Windschatten eine Kenianerin- gutes Gefühl. Doch leider flog sie bei km 25 an mir vorbei und ich konnte ihr nicht folgen. Irgendwann in diesem Bereich tauchte plötzlich mein Bruder auf. Er erzählte mir, dass das Fahrrad kaputt gegangen ist und er bot mit Iso (Cola, ich weiß es nicht mehr)und Bananen an. Das erheiterte mich ein wenig.

Mein Plan war, bis 25 km sollte es sich anfühlen wir ein harter Trainingslauf und dann geht es erst richtig zur Sache. Leider war ich jetzt bei km 27 schon viel zu lange hart bei der Sache. Es ist interessant wie dir in solchen Momenten Gedankenblitze durch den Kopf schießen- Komm fahr mit der U-Bahn nach Hause oder hör einfach auf, es tut jetzt schon so weh- doch man überlistet diese Gedanken, läuft durch das nächste Stimmungsnest und erträgt die Schmerzen die die Oberschenkel durchziehen. Irgendwie schaffte ich es auch bis km 30 mein Tempo zu halten. Ich war immer noch auf unter 2St.45 Min unterwegs. Ab und zu kommt mal einer an mir vorbei, oder ich überhole noch einen.

Üblicherweise spricht man bei km 32 „Vom Mann mit dem Hammer.“ Ich kenne ihn jetzt auch, habe ihn aber umgetauft: „Der Mann, der dir den Wind ins Gesicht bläst.“ Ich wusste ja von Anfang an, dass es windig werden würde. Doch auf einer vierspurigen Straße, alleine auf weiter Flur, gegen den Wind zu laufen war mental einfach nur hammerhart. Die Erkenntnis das Hamburg nicht flach ist musste ich leider im gleichen Moment erfahren. Dennoch schaffte ich es irgendwie noch bis km 35 zwischen 4 min 7 Sek. und 4 Min und 30 Sek. zu laufen. Während von diesen Kilometern im Gedächtnis nicht mehr viel übrig ist, waren die letzten 7 km einfach nur der Hammer.

In Hamburg Altona Bhf. steppte der Bär. Ich hörte immer wieder meinen Namen, ermunternde Worte, ohrenbetäubendes Geschrei und ich sah Tom zum ersten Mal seit km 15.

Jetzt den Red Bull Schock und Cola hinterher. Alles in einem Spalier von unglaublich vielen Menschen. Während es bis dorthin nur Schmerzen waren, kündigten sich nun Krämpfe an. Also beschloss ich das Tempo weiter zu reduzieren- gezwungenermaßen ;)

Dies war mit die beste Entscheidung im ganzen Marathon. Jetzt war es einfach nur ein Fest. Ich, immer noch alleine auf ewig breiten Straßen und die Menschen fixiert auf mich und mein Elend- es war ja kein anderer da. Ich versuchte keine abrupten Bewegungen zu machen bzw. den Schritt irgendwie zu verändern. Keinen Kniehub- sondern den Marathonschleichschritt. Dies gab mir die Möglichkeit meine Mütze abzuziehen und mich bei den Menschen für die tolle Unterstützung zu bedanken. Ich applaudierte zurück und scherzte sobald es ging, mit Ihnen.

Dieses Erlebnis kann man nicht beschreiben- das ist Sport- deswegen quält man sich durch den Winter- reißt sich den Arsch auf- trinkt keinen Alkohohl- geht meist als Erster von irgendwelchen Partys- und weiß der Kuckuck noch. (Moritz, du hast natürlich das Lernen vergessen, gell) Diese 7 km beantworten die Frage nach dem WARUM? Das ist deine Bühne- du bist der Rockstar- die Leute zeigen dir deinen wohlverdienten Respekt. Du lächelst- sie lächeln. Es ist ein geben und nehmen. Für diese Momente lebe ich. Klar ist Sport nicht die einzige Möglichkeit diese Erfahrungen zu sammeln. Doch Sport ist eine besondere Möglichkeit, die jeder ausüben kann, um diese Erfahrungen sammeln zu dürfen.

Auf der Ziellinie bekomme ich letztendlich den Krampf, der den Moderator im Zielbereich dazu animiert durch sein Mikrofon zu rufen: „Und Moritz schafft es auch noch sein rechtes Bein über die Ziellinie zu ziehen.“

Übrigens die Zeit war 2St.49 Min. und ein paar Zerquetschte. Ich landete damit auf dem 105 Platz - das ist für die Statistikfans. Lest die Zeilen davor und ihr wisst was für mich wichtig ist. Ich hatte die Möglichkeit mich total zu verausgaben und mich total zu spüren mit einem wahnsinnig tollen Publikum. Ich habe das nötige Talent und den Trainingswillen und die Disziplin diese zeitliche Leistung abzurufen. Doch am Ende bin ich nur dankbar für dieses Erlebnis.

Hamburg -meine Perle;)
Moritz Hartmann - TriRockets Bamberg

5 Kommentare:

Iwan hat gesagt…

wow, toller Bericht! Da reißts einen gleich mit. Mach weiter so.
Grüße,
Wanja

Anonym hat gesagt…

Kann mich nur anschließen! Der Hammer. Richtig schön zum Mitfühlen. Hab Gänsehaut.

Anonym hat gesagt…

Wow...und ich dachte immer "ihr Schnellen da vorne" guckt nur auf die Zeit. Toll, wie emotional und packend Du die Stimmung erlebt und geschildert hast, man bekokmmt sofort Lust mitzulaufen.
P.S. Ich war als Zuschauer da und habe Dich bestimmt auch angefeuert, meinen Glückwunsch zu dem tollen Rennen und der noch tolleren Einstellung !
Triamone

christian cullmann hat gesagt…

Hört sich super an und vor allem hört es sich so an als ob du über dein Ziel hinaus geschoßen bist. Die Emotionen sind es für die wir das tun. Nicht für die Zeit sondern für den Kuchen im Ziel :-)
Meinen Glückwunsch für die super Zeit und denn tollen Bericht

daniel haußner hat gesagt…

Hey Mo

Echt klasse!!! Toller Bericht und ich weiß ganz genau was Du mit "die Letzten 7km" meinst und versucht hast zu beschreiben...
Mir lief gerade wirklich ne Gänsehaut auf, denn meine Gefühle
´08 in München waren Ähnliche (-;

Ich wünsch Dir ne gute Erholung und Genieß die Nach-Marathon-Euphoie *g*

Grüße aus Wien,

Daniel